Immer wieder verdeutlicht unser Newsletter, wie sehr gute, strategisch ausgerichtete HR-Arbeit im Schulterschluss mit guter Führung auf eine positive Unternehmenskultur einzahlt. Dabei hat der letzte Newsletter den Mehrwert positiver Unternehmenskultur klargestellt und die Rollen seitens HR sowie Führungskräften veranschaulicht. Im Zweifel und je nach Stand im Unternehmen fällt HR hierbei die Vorreiter-Rolle zu und die Führungskräfte werden im zweiten Schritt zu essentiellen Multiplikatoren. Weder diese Sichtweise noch die hohe Wertigkeit für das Unternehmen sind strittig. Jedoch zeigen sich beim Thema Umsetzung in Gesprächen mit den Verantwortlichen wiederkehrende Antwortmuster; hartnäckig und quasi unabhängig von Zeit und Raum:
- „Die Unternehmenskultur nachhaltig positiv zu verändern ist ein zu dickes Brett, von dem wir besser die Finger lassen sollten: Denn in der eigenen DNA pfuscht man besser nicht rum.“
- „Wir erkennen grundsätzlich einige Ansätze zur Verbesserung. Wir sind da auch schon dran, nur aktuell ist es unpassend: Wir haben zu viele andere Baustellen und müssen gerade zu viele Bälle hochhalten.“
- „Wir erkennen den Mehrwert ja an, aber wir wissen gar nicht recht, wo wir anfangen sollen. (Und externe Berater können wir uns nicht leisten.)“
Oft sind diese Antworten Vorschub für Bequemlichkeit, spiegeln die Angst vor Veränderung
wider oder zeigen mangelnde Bereitschaft zur Selbstreflexion. Gerade, wenn der Laden doch auch so ganz gut läuft…Es klingt allerdings auch an, dass es an einer passenden Portionierung, den kleinen, organisational gut verdaulichen Häppchen, fehlt. Dabei geht es doch viel weniger um einen Big Bang Approach mit dem reißerischen Charakter einer Revolution als vielmehr um eine möglichst sanfte, leise und angenehme Transformations-Brise. Es ist also überhaupt nicht nötig, gleich das ganz große Rad im Unternehmen zu drehen und riesige Aufwände über längere Zeiträume zu verplanen. Zudem muss auch beim Thema Unternehmenskultur das Rad nicht neu erfunden werden: Vornehm-professionell ausgedrückt kann man sich an Best Practices orientieren, im IT-Parlons copy + paste vornehmen oder trivial im Milieu der Kunst von einer Raubkopie sprechen:
Denn es gibt bei einigen Unternehmen das sogenannte „Wheel of Misfortune“! Das WoM kommt grundsätzlich in zwei sehr unterschiedlichen Formen, aber dennoch stets mit zumindest einem gemeinsamen Ziel daher: dem organisationalen Lernen.
Eine Form ist es, mittels "Wheel of Misfortune" die gravierendsten Fehler im Unternehmen monatlich nicht nur zu veröffentlichen, sondern sogar zu prämieren. Durch die Veröffentlichung im Intranet haben wirklich alle etwas davon und können an einer guten Geschichte nicht nur persönliche Schadenfreude ausleben oder stolz bekennen „den kenn ich!“. Sie können vor allem aus den Fehlern anderer lernen und somit das Unternehmen vor weiterem Schaden gleicher Art bewahren. Der Mut, den eigenen Fehler offengelegt zu haben und es mit der eigenen Missetat sogar unter die Top 3 in einem Monat geschafft zu haben, wird dann sogar monetär gewürdigt. Das Unternehmen zeigt damit – höchst eindrucksvoll - dass Lernen und die Psychologische Sicherheit im Unternehmen wichtige, vor allem aber auch gelebte Werte sind.
Das kann ein Game Changer für die Unternehmenskultur werden!
Die andere Variante wird auch häufig als interaktives Lernwerkzeug mit dem Begriff Post-Mortem umschrieben und in speziellen Experten-Meetings oder Retrospektiven eingesetzt. Sehr verbreitet ist es vor allem in agilen (IT) Teams. Das Ziel ist es, auf spielerische Weise aus Fehlern zu lernen und die Fehlerkultur offener und weniger belastend zu gestalten. So funktioniert es:
- Das "Wheel of Misfortune" ist meist ein virtuelles oder physisches Rad mit verschiedenen Feldern. Jedes Feld repräsentiert eine Art von Fehler, eine Herausforderung oder ein Szenario, das im Unternehmen bereits vorgekommen ist oder vorkommen könnte.
- Drehen und Diskutieren: Das Team dreht das Rad, und das gewählte Szenario wird dann besprochen. Das kann ein echter Vorfall sein (z.B. ein Systemausfall, ein verpasster Termin oder ein Kommunikationsfehler), oder ein hypothetisches Problem. Das Team analysiert dann gemeinsam:
- Was ist passiert?
- Warum ist es passiert?
- Wie wurde reagiert?
- Wie könnte man es in Zukunft verhindern? - Lernziele: Der Fokus liegt darauf, Lösungen zu finden, anstatt Schuldige zu suchen. Es soll helfen, Fehler zu normalisieren und eine offene Fehlerkultur zu fördern, in der das Team aus Problemen wächst
Warum wird das gemacht?
- Förderung von Transparenz: Es hilft, Fehler offen anzusprechen, ohne dass jemand Angst vor Schuldzuweisungen haben muss.
- Bessere Problemlösung: Durch die Diskussion werden neue Strategien entwickelt, um ähnliche Fehler in der Zukunft zu vermeiden.
- Teamstärkung: Das Team lernt, dass Fehler menschlich sind, und baut Vertrauen auf, indem gemeinsam an Verbesserungen gearbeitet wird.
Der Ansatz zeigt, wie das "Wheel of Misfortune" nicht nur zur Fehlervermeidung, sondern auch zur Stärkung der Teamdynamik und Verbesserung von Prozessen durch die Stärkung einer guten und konstruktiven Fehlerkultur beitragen kann. Die Verbindung zu dem für positive Unternehmenskultur so zentralen Konzept der Psychologischen Sicherheit ist hier besonders spannend:
- Das "Wheel of Misfortune" bietet Teams die Möglichkeit, sich gezielt mit herausfordernden Situationen auseinanderzusetzen, die normalerweise Stress oder Unsicherheit auslösen könnten. Durch diese kontrollierten Simulationen erleben Mitarbeitende, dass Fehler nicht mit Schuldzuweisungen verbunden sind, sondern als wertvolle Lernchancen dienen. Indem das Team gemeinsam an der Lösung unerwarteter Probleme arbeitet, wird deutlich: Fehler sind ein natürlicher Teil des Entwicklungsprozesses. Das bewusste Durchleben solcher Szenarien zeigt, dass es nicht um Perfektion, sondern um gemeinsames Lernen und kontinuierliche Verbesserung geht.
- Das "Wheel of Misfortune" trägt gezielt zur Stärkung der Resilienz im Team bei. Wenn Mitarbeitende in herausfordernden Situationen zusammenarbeiten, erfahren sie, dass sie sich aufeinander verlassen können – selbst unter Druck. Dieses gemeinsame Bewältigen von Stresssituationen fördert das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und die des Teams. Mitarbeitende erleben, dass sie in einem geschützten Rahmen risikofrei experimentieren und improvisieren dürfen, was das Zusammengehörigkeitsgefühl nachhaltig stärkt.
- Die durch das "Wheel of Misfortune" simulierten Krisensituationen erfordern schnelle und offene Kommunikation. Diese Übungen helfen Teams, Kommunikationsbarrieren abzubauen und proaktiv auf Herausforderungen zu reagieren.
- Durch die regelmäßige Auseinandersetzung mit solchen Szenarien fühlen sich Mitarbeitende ermutigt, auch im Alltag Probleme frühzeitig anzusprechen und innovative Lösungen vorzuschlagen. So wird eine Kultur der Offenheit und des konstruktiven Austauschs gefestigt, die sich positiv auf echte Krisensituationen überträgt.
- Das "Wheel of Misfortune" unterstützt Unternehmen dabei, eine Kultur des Experimentierens und Lernens zu fördern. Die regelmäßige Konfrontation mit unerwarteten Herausforderungen normalisiert das Scheitern als notwendigen Bestandteil von Wachstum und Innovation.
- Mitarbeitende erkennen, dass Fehler keine Bedrohung darstellen, sondern Gelegenheiten zur Weiterentwicklung bieten. So wird das „Unglücksrad“ zu einem Werkzeug für kontinuierliches Lernen, das psychologische Sicherheit nicht nur voraussetzt, sondern aktiv verstärkt.
FazitDas "Wheel of Misfortune" ist nicht nur ein Instrument zur Vorbereitung auf unerwartete Herausforderungen, sondern ein aktiver Treiber für psychologische Sicherheit. Durch das bewusste Erleben von Fehlern als Lernchancen, das Stärken von Resilienz und Vertrauen sowie die Förderung offener Kommunikation wird eine Unternehmenskultur geschaffen, in der Mitarbeitende sich sicher fühlen, Risiken einzugehen und Innovationen voranzutreiben. Dies wiederum sorgt für eine bessere, positive Unternehmenskultur. Der Einsatz des Wheel of MIsfortune kann zentral als auch dezentral in bestimmten Abteilungen oder Teams zur Anwendung kommen.
Also, was spricht dagegen, im Unternehmen eine Site für die größten Fuck-ups des Monats oder Jahres einzurichten und die besten davon mit einem kleinen Geld- oder Sachpreis zu prämieren? Und in welchen Teams könnte man das Wheel of Misfortune gut einsetzen?
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