von Carsten Held
•
3. April 2025
Wir kennen sie doch alle: Auf der einen Seite die leistungsorientierten Kollegen, die hilfsbereit unterstützen und auch mal die extra Meile für´s Unternehmen gehen, ohne dabei sofort nach Gehaltserhöhung oder Beförderung zu schreien. Und auf der anderen Seite eher egoistische Mitarbeiter, deren Aufwand sich nicht selten auf Dienst nach Vorschrift beschränkt und auf die man sich nicht immer verlassen kann. Adam Grant, ein sehr bekannter Organisationspsychologe, nennt die einen Geber und die anderen Nehmer. Sein aktueller TED-Talk klärt auf, warum gerade die Geber so elementar wichtig für den Unternehmenserfolg und die Unternehmenskultur sind: https://www.ted.com/talks/adam_grant_are_you_a_giver_or_a_taker Das Verhalten der Guten, die eine extra Schippe drauflegen, mit Leichtigkeit freundlich und hilfsbereit agieren, das nennt man im Fachjargon Organizational Citizenship Behaviour (OCB), auf Deutsch gelegentlich (und gleichsam etwas unglücklich eng wörtlich übersetzt)) als "freiwilliges / bürgerschaftliches Engagement" bezeichnet. Es beschreibt freiwilliges, über das formale Rollenprofil hinausgehendes Verhalten von Mitarbeitern. Solches Verhalten kommt letztlich dem Team, dem Unternehmen und sogar Kunden sowie Lieferanten zugute. Es trägt zudem wesentlich zur Effektivität und zum positiven Klima des Unternehmens bei. Es erhöht Mitarbeiterzufriedenheit, Motivation und senkt die Fluktuation. Die Theorie schreibt diesen Personen als Erkennungsmerkmale vor allem Freiwilligkeit, Prosozialität und Verhaltensformen wie Hilfsbereitschaft, Eigeninitiative, Loyalität, Teamorientierung und konstruktive Rückmeldungen zu. Klassischerweise werden die folgenden fünf Dimensionen von OCB unterschieden: Altruismus: Anderen bei der Arbeit helfen (z.B. neuen Kollegen den Einstieg erleichtern). Gewissenhaftigkeit: Überdurchschnittliche Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Höflichkeit: Rücksichtnahme, um Konflikte zu vermeiden. Sportsgeist (Sportsmanship): Positive Einstellung, auch bei Schwierigkeiten. Bürgertugenden (Civic Virtue): Aktive Teilnahme am organisatorischen Leben, Interesse am Unternehmensgeschehen. Obgleich ein solcher persönlicher Einsatz stets gerne gesehen ist, wird er nicht immer wahrgenommen oder stillschweigend als selbstverständlich banalisiert. Sprich, hier ist in vielen Fällen etwas mehr Fingerspitzengefühl, Feedback und Anerkennung seitens der Führungskraft gefordert. Dabei zeigt sich, einmal mehr, wie Führungskräfte zusammen mit einer strategisch ausgerichteten HR-Abteilung das Unternehmen und speziell OCB vorantreiben können. 🎯 Als Führungskraft OCB aktiv fördern bedeutet: Vorbild sein: Führungskräfte können OCB durch ihr eigenes Verhalten modellieren und es selbst leben. Anerkennung zeigen: Auch kleine, freiwillige Beiträge sollten – angemessen, nicht übertrieben, wertgeschätzt werden. (Größeres Engagement ohnehin!) Zudem fördert offenes, wertschätzendes Feedback fördert bürgerschaftliches Verhalten. Offene Kommunikation: Transparente Entscheidungsprozesse fördern das Zugehörigkeitsgefühl. Partizipation ermöglichen: Mitarbeitende einbinden, um Verantwortung und Engagement zu fördern. Positive Unternehmenskultur schaffen: Vertrauen, Respekt und Zusammenarbeit betonen. 🎯 Für HR-Abteilungen beinhaltet der unternehmensweite Ausbau von OCB: Rekrutierung & Auswahl: Fokus auf Soft Skills und OCB-Tendenzen bei der Bewerberauswahl. Nebenbei: OCB und CWB (siehe unten) kann man messen und somit auch testen. Mitarbeiterentwicklung: Trainingsprogramme zur Förderung von Teamgeist, Eigeninitiative und Feedback-Kultur. Performance Management: Integration von OCB in Feedback- und Evaluationssysteme (z.B. 360°-Feedback). Kulturförderung: Gestaltung von Anreizsystemen, die nicht nur Leistung, sondern auch kooperatives Verhalten honorieren. Demgegenüber steht Counterproductive Work Behaviour (CWB), auf Deutsch "Kontraproduktives Arbeitsverhalten". Es beschreibt absichtliches Verhalten von Mitarbeitenden, das den Interessen des Unternehmens, der Kollegen und Kolleginnen oder der Arbeitsumgebung schadet. Im Gegensatz zu OCB, das freiwillig positives Verhalten fördert, ist CWB gezielt destruktiv und kann erhebliche Kosten verursachen. Hier zeigen sich direkte wirtschaftliche Schäden für das Unternehmen, z.B. durch Produktivitätsverluste durch unmotiviertes Arbeiten oder absichtliches Verlangsamen von Tätigkeiten (sog. Bummelverhalten). Es zählen aber auch unsittliches Verhalten, sozialer Missbrauch, Diebstahl, Mobbing, Unterschlagung von Firmeneigentum sowie Betrug, oft in Form von Abrechnungs- oder Zeitbetrug oder Absentismus dazu. Im Ergebnis wird die Unternehmensleistung auch durch Image- und Reputationsschäden sowie dem Weggang von guten, talentierten Mitarbeitern ausgebremst. Die Theorie unterscheidet zwischen Interpersonellem CWB, z.B. Mobbing, Belästigung, absichtliche Feindseligkeit. Organisationalem CWB, z.B. Sabotage, Diebstahl, Vertragsbruch, Missbrauch von Ressourcen. Obwohl es Überschneidungen gibt, sind die Strategien zur Förderung von OCB nicht gleich denen der Prävention vor CWB. OCB-Förderung und CWB-Prävention sind zwei Seiten derselben Medaille: Eine positive Unternehmenskultur reduziert das Risiko von CWB automatisch. Dennoch braucht es zusätzliche Mechanismen (wie Disziplinarverfahren), um extremes Fehlverhalten zu kontrollieren. So kann eine Führungskraft freiwilliges Engagement im Team erkennen und belohnen. Die gleiche Führungskraft muss aber auch schnell und konsequent reagieren, wenn ein Teammitglied systematisch Informationen zurückhält, um Kolleginnen zu sabotieren. 🚀 Was HR und Führungskräfte rund um CWB tun können: Prävention von CWB (proaktiv): Kultur der psychologischen Sicherheit: Mitarbeitende sollen offen über Probleme sprechen können, ohne Angst vor Repressalien. Fairness und Transparenz: Wahrgenommene Ungerechtigkeit ist ein häufiger Auslöser von CWB. Klare Regeln und transparente Entscheidungen wirken präventiv. Mitarbeiterbeteiligung: Einbindung in Entscheidungsprozesse fördert Verantwortungsgefühl und senkt Frustration. Gezielte Personalauswahl: Psychometrische Tests können helfen, Kandidaten und Kandidatinnen mit hoher Neigung zu CWB zu identifizieren (z.B. geringe emotionale Stabilität, hohe Impulsivität). Intervention bei CWB (reaktiv): Früherkennung: Schulung von Führungskräften zur Identifikation von Frühwarnzeichen (z.B. plötzlicher Leistungsabfall, negative Verhaltensmuster). Klare Konsequenzen: Ein transparentes System von Konsequenzen bei Fehlverhalten (z.B. Abmahnungen) schafft Orientierung. Mediation und Coaching: Konfliktmoderation kann helfen, interpersonelle CWB-Fälle wie Mobbing zu deeskalieren. Whistleblower-Systeme: Anonyme Meldestellen ermöglichen es Mitarbeitenden, Missstände ohne Angst vor Repressalien zu melden. Fazit - Handlungsempfehlung für HR und Führungskräfte OCB und CWB sind zentrale Faktoren für den Erfolg und das Arbeitsklima eines Unternehmens. Während OCB die Zusammenarbeit stärkt, die Produktivität fördert und das Engagement der Mitarbeitenden erhöht, wirkt CWB dem entgegen, indem es Konflikte schürt, die Teamdynamik stört und langfristig den Unternehmenserfolg gefährdet. Daher liegt es in der Verantwortung von HR und Führungskräften, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die OCB aktiv fördert und CWB wirksam vorbeugt. Dies erfordert klare Kommunikationsstrukturen, transparente Verhaltensrichtlinien und ein Umfeld, das von Wertschätzung, Fairness und psychologischer Sicherheit geprägt ist. Also, etablieren Sie als Führungskraft gezielte Maßnahmen zur Anerkennung positiven Verhaltens und zeigen sie Durchsetzungsvermögen bei der Sanktionierung von CWB. Als HR gilt es Mitarbeiter hinsichtlich OCB zu selektieren und Rahmenbedingungen für konstruktives Feedback zu schaffen sowie Evaluationskriterien inkl. Belohnungskomponenten für OCB zu etablieren. Das sind die Grundsteine für ein nachhaltiges, positives Arbeitsumfeld! IM NÄCHSTEN NEWSLETTER: Psychologische Sicherheit Hochleistungs-Teams - Mut zur Meinung und Spaß an Leistung