In Anlehnung an bzw. Vertiefung zu unserem 1. Newsletter („Nichts ist praktischer als eine gute Theorie“) lässt sich die Frage formulieren, wie viel Führungswissen denn von einer Führungskraft erwartet werden darf oder gar soll.
Dieser Frage wird sich nicht selten an (virtuellen) Stammtischen und auf Social-Media-Kanälen mehr angenommen als in HR-Abteilungen oder auf oberster Management-Ebene. Die Frage mutet spannend an und hat sicherlich ein gewisses Potenzial die Stimmung anzuheizen. Nicht selten sind dabei ausgerechnet die Stimmen am lautesten, die am wenigsten mit führungstheoretischem Wissen aufwarten können. (Ob sich da manch ein selbstverliebter Praktiker, hochrangiger Manager oder überteuerter Coach ertappt fühlt…?!)
Führungstheorie – Warum sie wichtig istFührungstheorien bietet einen Rahmen, um die Komplexität von (Menschen-)Führung zu verstehen und darin die eigene Rolle sowie das eigene Können zu reflektieren. Diese
Reflexion
ist wichtig, um eigene Stärken und Schwächen zu erkennen und sich vor allem im Umgang mit anderen Menschen als wissende Führungskraft auszuzeichnen oder schlichtweg zu verbessern. Denn nur dann wird den unterschiedlichen Charakteren und Situationen angemessen begegnet. Da es also nicht das eine One-Size-Fits-All gibt, braucht es einen gut gefüllten
Führungskräfte-Methodenkoffer. Ansonsten bleibt der gute alte Hammer das einzige Werkzeug und somit wird jedes Problem zu einem Nagel.
Akzeptieren wir für den Moment, dass es einen gut gefüllten Methodenkoffer braucht: Na, warum dann nicht einen mit Methoden, die evidenzbasiert und somit nachweislich Führungserfolg vorhersagen? Um im Bild des Hammers zu bleiben: Es gibt einen Grund, warum Profi-Handwerker auf bestimmte Marken zurückgreifen und nur äußerst selten der Hausmarke des Baumarktes um`me Ecke vertrauen. Die Hausmarke mag es für den Hobby-Bastler tun und manche Produkte der Hausmarke genügen durchaus mal dem Profi. Aber wer auf der sicheren Seite sein will…
Es sollte also in keiner HR-Abteilung, keinem Vorstellungsgespräch oder auf Vorstandsebene darum gehen, ob es auch ohne theoretisch fundiertes Führungswissen geht. Zudem muss eine Führungskraft ja auch nicht jede Theorie kennen. Und gerade bei Neueinstellung könnte von Unternehmensseite durchaus mal elegant abgeklopft werden, ob jemand außer Erfahrung auch das ein oder andere theoretische Konstrukt kennt und in die Praxis überführen kann!
Geht es auch ohne Theorie? Ja, das kann durchaus funktionieren. Besonders dann, wenn eine Führungskraft auf natürliche Stärken wie Empathie, Kommunikationsfähigkeit und Entscheidungsfreude zurückgreifen kann. Aber Führung ohne Theorie und mit fehlendem arbeits- sowie sozialpsychologischem Wissen hat Grenzen und kann zum Problem werden. Warum ein solches Risiko – im Umgang mit Mitarbeitern – eingehen?
Oft wird hierbei auch der Begriff Intuition angeführt. Intuition ist zweifelsfrei sehr wichtig und leistet einer guten Führungskraft gute Dienste. Doch wie entsteht eigentlich (gute) Intuition? Ein Arzt kann nur intuitiv eine seltene Krankheit erkennen, wenn er zuvor theoretisches Wissen über Symptome, Krankheitsbilder und Behandlungsmöglichkeiten erworben hat. Dieses Wissen wird dann durch (viel) Erfahrung ergänzt und erst dann in intuitiven Entscheidungen genutzt. Eine Führungskraft, die beispielsweise die Theorie des „Situativen Führens“ kennt, kann intuitiv die richtige Führungsstrategie wählen, weil sie das theoretische Modell verinnerlicht hat.
Auch beim guten alten Bauchgefühl geht es also keineswegs ohne eine saubere, fundierte Grundlage.
Theorie macht Intuition präziser:
Ohne theoretischen Hintergrund bleibt Intuition vage und kann fehlgeleitet sein. Theorie erlaubt es, intuitive Entscheidungen zu validieren und besser zu begründen. Intuition entsteht also, wenn Theorie und Erfahrung verschmelzen:
• Theorie gibt die
Regeln
und das
Wissen
vor.
• Erfahrung bringt die
Praxis
und das
Feingefühl
mit.
FazitDie Balance zwischen Theorie und Praxis entscheidet:
Denn theoretisches Wissen allein reicht nicht aus, um in komplexen, dynamischen Situationen adäquat zu handeln. Dabei muss eine gute Führungskraft nicht zur Führungstheorie-Expertin werden. Es ist jedoch sinnvoll, grundlegende Modelle und Prinzipien zu kennen und gezielt anwenden zu können. Theorie und Praxis sollten Hand in Hand gehen, wobei die persönliche Weiterentwicklung, Reflexion und situative Anpassungsfähigkeit (= „Wann nutze ich welche Elemente aus meinem persönlichen Methodenkoffer?“) Schlüsselfaktoren darstellen.
Allen, die sich weiterhin einer evidenzbasierten Basis entziehen sei provokant die Nachfrage gestellt: Was ist ihnen lieber, eine Führungskraft mit oder ohne theoretisch fundiertem Führungswissen im persönlichen Methodenkoffer?
IM NÄCHSTEN NEWSLETTER ZU LESEN:
PersonalManagement-Tools
- Nicht mehr wegzudenkende Helfer und doch entscheidende Qualitätsbremser